Töchter und Mütter

Jede Frau ist Tochter, hat in ihrer Mutter das erste Vorbild was Frau sein heißt. Und dieser erste, aber leider so stark prägende Entwurf der Weiblichkeit ist eben durch deren Mütter und Großmütter geprägt. Wir leben seid Jahrhunderten in einer Gesellschaft, in der die Frauen nur selten ihre Kraft leben durften. Und so erleben wir Frauen kraftlose Mütter, gefügige Frauen – oder Frauen, die gegen ihre Mutterrolle rebellieren mit all ihrer Ohnmacht.

Wenn ich mich mit der Weiblichkeit, mit meinem ganz eigenen Frausein, rückverbinden mag, komme ich an meiner Mutter nicht vorbei. Wie wahr, diese Herausforderung ist groß. Aber ich kann nicht meine Mutter ablehnen, sozusagen an ihr vorbei kommen, wenn ich meine Weiblichkeit spüren mag. Die Mutter ist das Urbild des Weiblichen, sie ist die Weiblichkeit, die mich geboren hat. Aus ihr komme ich, sie ist der direkte rote Faden zu meiner Herkunft.

Ich habe meine Mutter für die Schwäche verurteilt, die sie gelebt hat, obwohl sie doch so viel Stärke in sich hat. Ich hat mir so viel Leid gebracht, dass sie sich nicht hinter mich stellen konnte, als ich meine Kämpfe mit meinem Vater hatte. Ich war verlassen, als auch sie mich für meinen Wandel raus aus den Konventionen nicht mehr als Tochter nehmen konnte. Es gab die Zeit der absoluten Sprachlosigkeit zwischen uns, kein Kontakt mehr möglich.
Natürlich kann ich auch ohne Kontakt zu meiner Mutter leben, ich bin ja selbstständig – aber es ist eben nicht natürlich! Und so hab ich mich jenseits all meiner Vorwürfe an meine Mutter aufgemacht, sie als Frau zu verstehen. Ich kann über diese Themen nur schwer mit ihr direkt reden, das sind sehr schnell Tabu-Themen. Aber ich kann mich ihr und ihrer Biografie nähern: Wer ist diese Frau? Weshalb hat sie ihr Leben so gelebt? Und jenseits der Vorwürfe an sie kann ich sehen: Ja, sie hat den besten für sie möglichen Weg gewählt. Sie hat ihre Tochter aus Liebe zur Welt gebracht. Sie lebt ihr Leben heute so, wie sie es für sich als völlig richtig empfindet.
Hier muß ich aufpassen, dass ich es nicht besser weiß. Ja heute, da könnte sie doch…. Aber so wie ich mein Leben nach meinem Wissen und Gefühl lebe, so lebt sie ihres nach ihrem. Ich kann nun achten, was sie ist. Ich muß es nicht genauso tun, habe es lange Zeit unbewußt genauso mit meinen Partnern gelebt, habe für mich das ungelebte daran erkannt und geändert. Aber das hat keine Allgemeingültigkeit.

Wenn die Weitergabe der machtvollen Weiblichkeit von Mutter auf Tochter in unserer Zeit nur selten möglich ist, so kann doch die Achtung für das Geleistete als Reaktion von uns Töchtern möglich sein. Auch das ist ein Weg zur eigenen Weiblichkeit.